Über den Umgang mit Feedback
Niemand ist eine Insel. Feedback, Rückmeldungen und Kritik sind wichtige Institutionen, die jede/r kommunikationsorientierte Kreative dankbar entgegennehmen sollte. Auch Auftraggeber holen sich stets mehrere Meinungen ein, die Einfluss auf das gemeinsame Projekt haben. Wie aus Feedback ein wertvoller Mitarbeiter werden kann.
Ich bespreche das noch einmal mit meiner Frau
Es ist schon interessant: Auftraggeber und Kunden würdigen zwar stets die professionelle Einschätzung des Webworkers, aber wenn beispielsweise das Rot der Kopfzeile der besten Freundin des Kunden etwas zu sehr ins Bläuliche verläuft, gibt es kein Halten mehr. Dieser Lobby ist kein Auftragnehmer gewachsen.
Es macht dennoch keinen Sinn, diese Einwände kategorisch schlecht zu reden. Denn fast immer haben diese Kritikpunkte etwas mit der Identifikation, der Wirkung und Perspektive der Website zu tun und decken Bereiche auf, die von den Projektbeteiligten nicht oder nicht mehr gesehen werden. Durch das kontinuierliche Befassen mit einem Thema entwickeln sich automatisch einige "blinde Flecke", die durch einen Perspektivwechsel mithilfe anderer Personen entlarvt werden können.
Kritik einordnen und bewerten
Im Journalismus gibt es eine Methode, die sich Quellenbewertung nennt. Genauso verhält es sich mit Feedback und Kritik. Es ist entscheidend, von wem und in welchem Kontext ein bestimmter Punkt geäußert wird, denn es gibt unterschiedliche Arten von Feedback.
Spontanes und ehrliches Feedback
Gut gemeinte Kritik von Freunden und Bekannten ist mitunter die hilfreichste, wenn man sie richtig einordnet. Sie ist häufig assoziativ und an persönlichen Geschmäckern und eigenem Verständnis von Webseiten festgemacht. Im besten Fall ist sie ehrlich und konstruktiv. Sie kann aber auch das eigene Verständnis der Zielgruppe für einen Moment verzerren, weil sie auf Dinge aufmerksam macht, die zwar für besagte Bekannte relevant ist, für die Zielgruppe aber eben nicht oder genau umgekehrt.
Beispiel: Das Konzept und die Funktionsweise eines Blogs mag meiner heißgeliebten und ästhetisch feinfühligen Tante fremd sein. Sie wird sich wundern, was das alles mit den Kategorien und Paginierungen auf sich hat. Meine Zielgruppe in der Blogosphäre allerdings nicht. Im Gegenteil: sie würde auf den Bruch mit bestimmten Konventionen unangenehm reagieren.
Verbessernde Kritik
Manches Feedback setzt auch direkt mit Verbesserungsvorschlägen an. Diese Form der Kritik kommt oft von anderen Profis, semi-professionellen oder auch von Menschen, die "irgendwas mit Medien" machen. Sie kann wertvolle Anregungen liefern, läuft aber auch Gefahr, auf einer selbstdarstellerischen Motivation zu beruhen. Ich möchte ehrlich sein: auch ich tappe hin und wieder in die Falle, mein Wissen und Können anhand von Kritikpunkten an anderen Projekten zu demonstrieren. Doch auch hier fällt schnell auf, dass viele meiner herausposaunten Punkte relativiert werden, sobald ich mich intensiver mit dem Konzept und der Zielgruppe der Website befasse - und feststelle, dass alles doch sehr gut aufeinander abgestimmt ist.
Kritik um der Kritik Willen
Hin und wieder kommt auch Feedback zum tragen, das den Anschein macht, als hätte man förmlich nach Fehlern gesucht. Zu erkennen ist sie oft daran, dass ein Gefühl entsteht, das viele Fragezeichen aufwirft, worauf der oder die Kritisierende eigentlich hinaus will. Im besten Fall wird durch diese Pingeligkeit das ein oder andere Manko noch ausgemerzt, selbst wenn es kein Kernproblem darstellt. Sie kann aber auch unsachlich und geringschätzend wirken. In diesem Fall heißt es nicken, danken und vergessen.
Diese Aufzählung ist natürlich nicht vollständig. Doch mir begegnen die o.g. Feedback-Typen bisher am häufigsten.
Jedes erwünschte Feedback unterliegt ohnehin einem Phänomen: Sobald jemand gebeten wird, auf eine Frage zu antworten, ändert sich der Inhalt der zu erwartenden Antwort, da sich die Einflussfaktoren geändert haben. Wirklich völlig authentisches und einflussfreies Feedback ist also so gesehen gar nicht möglich.
Doch überprüfen Sie auch immer sich selbst: Sie mögen noch so gute Gründe haben, eine bestimmte Entscheidung getroffen zu haben, wenn Sie die Kritik an dieser Entscheidung emotional trifft, ist meistens etwas dran. Überprüfen Sie, woran das liegt. Stehen sie wirklich hinter der Entscheidung? Gibt es einen sinnvolleren, alternativen Weg? Oder stört sie etwas ganz anderes?
Machen Sie Redaktionsschluss, aber sammeln sie weiterhin wertvolles Feedback
Grundsätzlich gilt: reagieren Sie nicht gleich ad hoc auf das Feedback und verschlimmbessern das Design, die Funktion oder die ganze Website sukzessiv mit jedem neuen Hinweis. Sie sparen Zeit und Geld, wenn Sie die Kritikpunkte erst einmal sammeln, wirken lassen und bewerten um anschließend zu entscheiden, welches Feedback tatsächlich Handlungsbedarf erzeugt.
Sind die Entscheidungen einmal gefallen, doch es stehen noch Feedbacks aus, machen Sie dennoch Redaktionsschluss. Im Prozess des Webdesigns ist es an vielen Punkten notwendig, sich auf ganz klare Absprachen verlassen zu müssen, da sich sonst Basisarbeit und Detailarbeit gegenseitig behindern. Stehen Sie zu Ihren Entscheidungen, sammeln sie aber dennoch weiterhin wertvolles Feedback - der nächste Änderungswunsch kommt bestimmt. Dann können vorhandene Punkte noch einmal neu bewertet und ggf. umgesetzt werden.
Am Ende alles nur Gutdünken?
Die Sache mit dem Feedback aus einer überschaubaren Gruppe kommt noch mit einem entscheidenden Problem daher: ebenso wie Kundenwünsche und Profiempfehlungen handelt es sich nicht um wirklich repräsentative Erhebungen. Ob eine Website die Ziele erfüllt, für die sie konstruiert wurde, lässt sich bei jeder Website nur nach einiger Zeit herausfinden. Es wird also ohnehin irgendwann müßig, Entscheidungen zu überdenken und nochmals zu verändern, wenn noch nicht einmal wirklich geprüft werden konnte, ob vorige Lösungen überhaupt zum Ziel führten.
Es gilt also neben dem direkten Feedback immer im Auge zu behalten, wie das Publikum auf die Website und auf Veränderungen an derselben reagiert. Dabei helfen klassische empirische Methoden wie Befragungen oder Tests aber auch dankbarerweise Analysetools wie Google Analytics.
Einzelne Meinungen sind also zu bewerten und immer in den Kontext mit Kommunikationsziel, Zielgruppe und natürlich harten Fakten durch Analysen zu setzen. Mit diesen Prozesseckpfeilern im Hinterkopf lassen sich nach meiner Erfahrung Kritik und Feedback stressfrei einordnen und werden zu nützlichen und nicht nervigen Faktoren auf dem Weg zu einer gelungenen Website.