Nachrichtenwert - journalistische Werte für gute Kommunikation

Was motiviert Menschen, Inhalte aufzunehmen? Zu teilen? Zu kommentieren? Zu diskutieren? Es ist eine Reihe von Eigenschaften, die summiert im Journalismus schon lange einen Namen haben: Nachrichtenwert. Aber dieses Konzept ist längst nicht nur journalistischen Angeboten vorbehalten.

Oft werde ich gefragt, wie ich mit einer Ausbildung in Journalismus (und PR) zum Web gekommen bin. Hier ist die Antwort: Dinge mit Mehrwert auf den Punkt zu bringen liegt in der Natur beider Disziplinen. Ein Plädoyer für Inhalt mit Wert.

Grundlegendes Element: die Nutzerperspektive

Der Wert einer Nachricht wird durch zahlreiche Teilaspekte erzeugt. Dazu gehören Aktualität, Nähe, persönliche Relevanz, Kuriosität, Prominenz, Nutzwert und viele weitere. Eine genaue Einordnung und Definition dieser Aspekte ist immer nur genau so exakt wie das dazu erdachte Sender/Empfänger-Modell, aber die Kenntnis darum hilft, eigene Texte auf Qualität zu prüfen.

Sie alle drehen sich im Kern um die Frage „Was hat mein Publikum davon?“. Je klarer, unverkrampfter und reicher sich diese Frage zu einem Inhalt beantworten lässt, desto besser stehen die Chancen, dass dieser Inhalt einen hohen Nachrichtenwert besitzt.
Sie erzählen auf Ihrer Website über ein neues Angebot (Aktualität), welches ihren Nutzern bei etwas hilft (Nutzwert), einfach zu besorgen (Nähe) ist und den gewissen Piff hat (Kuriosität)? Diese Information ist es wert, gelesen und geteilt zu werden.

W-Fragen - wer noch fragen muss, bleibt nicht

Wer von sich selbst faselt, sich darstellt oder in der Darstellung der Dinge irgendwo bei Punkt fünf beginnt, unterschlägt Antworten auf die wesentlichen Fragen, nach denen Besucher sich sehnen:
Wer macht was wann wo und wie (und warum).
Es ist das kleine Einmaleins des Meldung-Schreibens und lässt sich einfach auf Web-Angebote übertragen: Ein Anbieter (wer) bietet einen Service (was) rund um die Uhr (wann) auf dieser Domain (wo) in dieser oder jener Art (wie). Mal so als schwachkonkretes Beispiel. Das „warum“ gehört mit zu den W-Fragen, erklärt sich in Web-Angeboten aber meist von alleine (weil der Anbieter eine Nachfrage bedienen und Geld verdienen möchte).

Diese Erkenntnisse sollten zu jeder Zeit klar und unmissverständlich sein. Sie sollten auch das erste sein, was über das Angebot zu erfahren ist. Häufig übernimmt diese Funktion ein „Mission Statement“ oder „Claim“ im oberen Teil der Seite, der so kurz und prägnant ist, dass er auf jeder Seite mitlaufen kann. Variationen oder Ergänzungen für sich unterscheidende oder detailliertere Teile der Website sind sinnvoll.

Es ist ein Konzept, was auf der Makro- wie der Mikro-Ebene greift. Sowohl das gesamte Angebot als auch einzelne Teilabschnitte sollten zuallererst jeweils die Ihnen naheliegenden W-Fragen beantworten.

AIDA ist auch eine Oper

In Sachen Kommunikation und PR ist AIDA aber in erster Linie ein Akronym. Es steht für Attention, Interest, Desire, Action. Zu Deutsch: Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen und Aktion.

Ihre Inhalte haben ein hohes Maß an Wirksamkeit, wenn sie diese vier Phasen sukzessiv bei Ihren Besuchern auslösen. Webtypische Teaser, also kleine Anreißer-Texte, die auf weiteren Inhalt verlinken, sind Paradebeispiele für dieses Konzept: Sie erzeugen Aufmerksamkeit durch eine knackige Überschrift (oder ein Bild), fördern das Interesse mit geschickt ausgewählten Inhaltsfetzen, der/die LeserIn will augenblicklich mehr erfahren und klickt dafür auf den Link. Mission accomplished.

So einfach das klingt, so schwierig ist diese Verdichtung gerade bei Web-Teasern. Bei längeren Inhalten gilt dieses Prinzip aber auch, wenngleich die Verdichtung hier nicht ganz so extrem ist.

Im Netz ist gerade der letzte Aufruf nach der „Aktion“ ein entscheidender, denn er sollte mit den Zielen der Website einher gehen: eine neue Kundin gewinnen, einen Abonennten, Besucher zu Fans machen - was immer für die Ziele der Website ursprünglich definiert wurde.

Die umgekehrte Pyramide

Ein weiteres Prinzip aus dem Journalismus beschreibt die Technik, mit den wichtigsten Botschaften zu beginnen und sich langsam zu den unwichtigeren hinunter zu arbeiten. Der Informationsgehalt ist also zu Beginn, an der Spitze am dichtesten, später kommen noch einzelne Details dazu, die aber im schlimmsten Fall auch wegfallen könnten, ohne die Kernaussage zu schmälern.

Also: das wichtigste direkt an den Anfang, auf den Punkt. Sie wissen nie, ob und wenn dann wann Ihre Leserschaft aussteigt. Wenn wichtige Kernbotschaften zu spät angebracht werden, erreichen sie wörtlich niemanden.

Sprache, oder: der sich den Wolf liest

Welche Worte nutze ich? Welche Ansprache verwende ich? Wie lang sind meine Sätze, wie präzise, wie allgemein muss ich formulieren? Alles Fragen, die eine gute Zielgruppenanalyse beantworten kann. Doch einige Regeln gelten quasi global, denn sie verbessern den Lesefluss ungemein.

Aktion kommt vom Aktiv

Wie beim AIDA-Prinzip bereits angedeutet, geht es darum, Bewegung in die bislang passive Nutznießergemeinde Ihres Angebots zu bringen. Passivkonstruktionen wirken wie Abstandshalter mit Wegklick-Automatik, Aktiv-Formulierungen hingegen stimulieren die Aufmerksamkeit, das Interesse und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand aktiv wird.

Also, statt:

Hier wird Ihnen ein unvergleichliches Angebot gemacht!

lieber ein

Wir machen (ich mache) Ihnen ein unvergleichliches Angebot!

Adjektive und Attribute

Direkt zwiespältig könnte man auch zu der oberen Formulierung in Bezug auf das Adjektiv stehen. Aus Marketing-Gefasel und Werbebroschüren kennen Ihre Besucher nämlich hochgestochene Attribute zu genüge. Insbesondere Superlative gehören sehr, sehr sparsam eingesetzt.

Es ist mehr damit gewonnen, Dinge klar, unaufgeregt und authentisch zu benennen. Welche Lobby haben SIE schon, Ihr Produkt als das beste unter der Sonne zu bezeichnen? Sagen Sie, dass es gut ist, sagen Sie aber insbesonders, warum. Seriösität ist ein rares Gut in der Online-Welt, diese zu konstruieren gelingt über Echtheit. Erzählen Sie von Ihrem Produkt so, wie Sie Ihrer besten Freundin / Ihrem besten Freund davon erzählen würden.

Und: hüten Sie sich vor Superlativen, die es nicht gibt. „Einzigste“, „allerbeste“, „verschiedenste“. Sie machen ihre Bedeutung nicht besser, sondern aufdringlicher und fragwürdiger.

Schachtel- und Endlossätze

Politiker reden oft in Schachtel- und Endlossätzen. Kaufen Sie Politikern ihre jeweiligen Botschaften ab? Ich nehme an, nein. Also warum sollten Sie nicht mit klaren Formulierungen auf den Punkt kommen, wenn Sie etwas zu sagen haben? Falls Ihnen das schwerfällt, kann es ein Zeichen dafür sein, dass Ihre Marketingbotschaft, vielleicht sogar Ihr Angebot unter Umständen nicht klar genug definiert ist.

KISS - Keep it simple, sweetheart

Als Fachmenschen neigen wir oft dazu, Dinge so präzise wie möglich darzulegen, um keine Halbwahrheiten unters Volk zu bringen. Die Frage ist nur: Ist es eine Halbwahrheit, wenn ich um der Verständlichkeit willen auf lange Ausführungen verzichte? Nicht zwangsläufig. Und es wird durch Klarheit und Verständlichkeit mehr gewonnen als durch pedantische Genauigkeit mit Anspruch an Vollständigkeit.

Als Faustregel gilt: sofern keine Falschen Aussagen getroffen werden, Entscheiden Sie sich für die Verständlichkeit. Entweder durch Reduktion, den Austausch von Fachbegriffen durch allgemein verständliche oder simpleren Sätzen.

Gemeinsame Wissensbasis

Selbst komplexeste Informationen können in ganz kurzen Botschaften übertragen werden, wenn Sender und Empfänger über eine ausreichend große gemeinsame Wissensbasis verfügen. Ich kann Ihnen die Hintergrund-Funktionen dieses Blogs in zwei Sätzen erklären, wenn Sie selbst bereits Blogs eingerichtet haben. Falls nicht, brauche ich vermutlich ein paar Stunden dazu.

Machen Sie sich klar, dass Ihr Publikum eine andere Wissensbasis hat als Sie und versuchen Sie diese zu antizipieren. Ein Blick auf die Zielgruppe und Erhebungen können dabei Gold sein. Mit diesem Hintergrund können Sie Ihre Texte auf Ihre Zielgruppe zuschneiden.

SEO-Bezug, oder: sind wir nicht alle ein bisschen Google?

Im Netz fließt oft eine Disziplin in die Texte ein, die mit dem strategischen Verteilen von Schlüsselbegriffen versucht, das Ranking der Seite bei Google zu erhöhen. Meine Haltung dazu: Wenn Sie an Ihre Leser denken, denken Sie automatisch an Google. Mehr dazu auch in meinem Blogartikel „7 Irrtümer über Google und den ersten Platz

Der Weisheit letzter Schluss…

…ist dies nicht. Wenn Sie gute Gründe haben, diese oder verwandte Regeln über den Haufen zu werfen, tun Sie's. Aber haben Sie gute Gründe.