Gegen Interessensgegensätze

Meine Wenigkeit arbeitet gerade an einem didaktischen Konzept für junge Menschen, die sich in Kürze in einem Betrieb als Azubiene oder PraktikantIn verwirklichen möchten. In den Unterlagen zu Inhalt und Methoden steht ein Grundbaustein ganz wichtig zu allererst: Der so genannte Interessensgegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Das schreit nach angebrachter Gesellschaftskritik.

Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind so alt wie dieses Paar selbst. Dass sie in unserer hippen, modernen Innovationsgesellschaft aber Grundlage aller Kommunikation ist, irritiert mich.

Lose-lose Situation?

Das Lager der Angestellten ruft: Wir wollen mehr Lohn, Freizeit und nettes Arbeitsklima. Die Unternehmer, also Arbeitgeber, entgegnen: Könnt ihr euch alles abschminken, uns geht's nur um Gewinnmaximierung auf Kosten eurer Freizeit, eures Gehalts und Arbeitszufriedenheit. Und obwohl es so in den Lehrbüchern steht, frage ich mich unwillkürlich: Seriously? Ist das der Weg, den unsere Gesellschaft zu wählen entschied?

Stell' dir vor, du könntest dein Allerbestes geben

Meine Gedanken schweiften nach Utopia, in der zufriedene Arbeitnehmer großartige Produkte und Dienstleistungen schaffen. Eine Welt, in der Unternehmer Ihren Angestellten freie Arbeitseinteilung gewähren, weil sie wissen, dass sie zu IHRER Zeit und mit IHREM Plan in viel kürzerer Zeit viel effizienter Arbeiten können. Utopia, du unmögliches Land, du Spinnerei eines Weltverbesserers, du... wie, solche Arbeitsplätze sind existent? Hier, in unserer Welt?

Festgefahren in konservativen Werten

Ich halte diese konservative Einstellung eines Arbeitgebers, der sich - im Prinzip - einen Dreck um die Zufriedenheit seiner Angestellten kümmert, nicht nur für obsolet, sondern für unwirtschaftlich. Keine Zufriedenheit bedeutet keine Motivation, keine Motivation führt zu uneffizienter Arbeit, im schlimmsten Fall fügt es Unternehmen und Menschen Schaden zu. Unsere "Dienstleistungsgesellschaft" hat stoische, repetitive Fließbandarbeit ohnehin ad Acta gelegt. Also was soll diese unkritische Indoktrination eines scheinbar gottgegebenen Interessensgegensatzes, wenn es anders doch viel besser geht?

Google und Yahoo beispielsweise haben nicht nur unkonventionell eingerichtete Räume, sondern veranstalten nach meinen Information auch regelmäßig so genannte Hack Days, in denen sich die Entwickler 24 Stunden lang um ein Projekt Ihrer Wahl kümmern können. Am Ende gibt es Kuchen, Lorbeeren und Party. Geschätzte 70% (besser Wissende mögen mich hier korrigieren) aller Produkte und Services der Unternehmen entstehen in diesen 24 Stunden. Kosten/Nutzen-Rechnung anyone?

Oder fragen wir einen Götz Werner, langjähriger Geschäftsführer der Drogeriekette dm, der sich für sozialistisch anmutende Modelle wie das bedingungslose Grundeinkommen einsetzt. Ein Kapitalist auf Seiten der Arbeitnehmer? Interessenskongruenz statt Gegensatz!

Für die Sache, nicht für's Geld arbeiten wir

Kein Mensch auf dieser Welt arbeitet nur für Geld. Motivation schöpft sich aus der Sache selbst, nicht aus der Belohnung dafür. Daher will auch kein Mensch nur arbeiten, damit er oder sie irgendwann Urlaub haben kann. Und kein "guter" Arbeitgeber sollte seine Gewinnmaximierung auf Kosten der Zufriedenheit seiner Angestellten durchdrücken. Wie das alles zusammenhängt wurde im übrigen schon zig mal untersucht und begründet und beispielsweise hier kreativ (und vermutlich ohne irgendein Honorar) zusammengefasst:

Die überraschende Wahrheit darüber, was uns motiviert

Achso: Selbständig arbeiten ist awesome!

Update: Beispiel los!

Dank @JohnnyThan wurde ich kürzlich auf einen Artikel über eine Firma aufmerksam gemacht, welche eine großartige Beispielfunktion für ein funktionierendes, frei atmendes und soziales Unternehmen darstellt: Die Befreiung der Arbeit bei sein.de.

Meine Lieblingssätze:

Wer braucht eine bestimmte Anzahl Stunden pro Tag? Wir brauchen Leute, die ein bestimmtes Ergebnis abliefern. Mit vier Stunden, acht Stunden oder zwölf Stunden im Büro - sonntags kommen und Montags zu Hause bleiben.

Ricardo Semler

Das Rezept ist einfach: Behandele deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann verhalten sie sich auch so. Je mehr Freiheiten du ihnen gibst, desto produktiver, zufriedener und innovativer werden sie.

Aus dem o.g. Artikel

Bingo.